Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_39/2025 vom 22. Juli 2025

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Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 4A_39/2025 vom 22. Juli 2025 befasst sich mit einer Beschwerde in Zivilsachen betreffend die Ausweisung einer Mieterin aus einer Garderobe und die damit verbundene Nutzungsentschädigung. Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob die Vorinstanz (Obergericht des Kantons Graubünden) willkürlich handelte oder Bundesrecht verletzte, indem sie das Bestehen eines Mietvertrags über die Garderobe über das ursprüngliche Vertragsende hinaus verneinte.

1. Sachverhalt und Prozessgeschichte

Die A._ GmbH (Mieterin, Beschwerdeführerin) mietete von der B._ AG (Vermieterin, Beschwerdegegnerin) die Räumlichkeiten "X._" in U._ für eine feste Dauer vom 1. Dezember 2019 bis zum 30. April 2020. Zeitgleich betrieb die Mieterin im Untergeschoss desselben Gebäudes bereits seit 2018 den "F._ Club" in den Räumlichkeiten "Z._" der Vermieterin.

Nach Ablauf des festen Mietverhältnisses für "X.__" gab die Mieterin die Räumlichkeiten am 27. Mai 2020 zwar zurück, behielt jedoch die Garderobe samt Schlüsseln. Eine erste Klage der Vermieterin auf Rechtsschutz in klaren Fällen zur Ausweisung aus der Garderobe scheiterte an der Nichteintreten der Gerichte (Regionalgericht und Kantonsgericht), da die Voraussetzungen für dieses summarische Verfahren nicht erfüllt waren.

Daraufhin leitete die Vermieterin ein ordentliches Verfahren ein. Nach gescheiterten Schlichtungs- und Vergleichsverhandlungen klagte sie am 2. Februar 2022 beim Regionalgericht Prättigau/Davos auf Ausweisung der Mieterin aus der Garderobe, die Androhung einer Busse nach Art. 292 StGB bei Widerhandlung, die Berechtigung zur Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe sowie auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung von monatlich Fr. 720.-- ab dem 1. Mai 2020. Das Regionalgericht hiess das Ausweisungsbegehren gut, reduzierte jedoch die monatliche Nutzungsentschädigung auf Fr. 394.--. Die dagegen von der Mieterin erhobene Berufung wies das Kantonsgericht von Graubünden am 14. November 2024 ab, wobei es festhielt, dass kein Mietvertrag über die Weiternutzung der Garderobe über den 30. April 2020 hinaus nachgewiesen sei und die Mieterin die Garderobe seither ohne rechtliche Grundlage benutze.

Gegen dieses Urteil legte die Mieterin Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein.

2. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüfte die Beschwerde primär unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG) bei der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung sowie einer allfälligen Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV).

2.1. Grundsätze der Beweiswürdigung und der antizipierten Beweiswürdigung

Das Bundesgericht erinnerte an die eingeschränkte Kognition: Es korrigiert Sachverhaltsfeststellungen nur, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, sind oder auf einer Rechtsverletzung beruhen. Eine Beweiswürdigung ist nicht schon willkürlich, wenn sie nicht mit der eigenen Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmt, sondern nur, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt, ein entscheidwesentliches Beweismittel ohne sachlichen Grund unberücksichtigt gelassen oder unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (E. 4.1).

Betreffend die antizipierte Beweiswürdigung (E. 4.2) führte das Gericht aus, dass eine Behörde auf ein beantragtes Beweismittel verzichten kann, wenn sie ohne Willkür annehmen durfte, eine weitere Beweiserhebung würde ihre Überzeugung nicht beeinflussen. Dies sei nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür zu prüfen, da es sich um eine Frage der Beweiswürdigung und nicht des Umfangs des bundesrechtlichen Anspruchs auf Beweis oder rechtliches Gehör handle.

2.2. Fehlende Nachweisbarkeit eines Mietvertrags über die Garderobe (Kernpunkt)

Die Beschwerdeführerin machte geltend, sie habe einen Mietvertrag betreffend die Garderobe der Lokalität "X.__" über den 30. April 2020 hinaus nachgewiesen. Das Bundesgericht bestätigte die Argumentation der Vorinstanz, die dies verneinte:

  • Ablehnung der Parteibefragung des Geschäftsführers (Antizipierte Beweiswürdigung): Die Vorinstanz hatte die Befragung von C._, dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, in antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt. Das Bundesgericht hielt fest, dies sei nicht willkürlich geschehen. Die Vorinstanz durfte annehmen, dass eine solche Aussage die aufgrund der erhobenen Urkunden und Zeugenaussagen (insbesondere D._, Angestellter der Immobilienverwalterin) gewonnene Überzeugung nicht hätte erschüttern können. Die Mieterin habe nicht substantiiert dargelegt, welche konkreten prozesskonform geltend gemachten Behauptungen ihr Geschäftsführer hätte bestätigen können, um die fehlenden Beweise zu ersetzen (E. 5.1.1, 5.2.2).
  • Fehlende Schriftlichkeit wichtiger Vereinbarungen: Die Parteien hatten wichtige Vereinbarungen, wie die Übergabe der Lokalität "X._" und die Möglichkeit von baulichen Veränderungen, stets schriftlich festgehalten (z.B. in der "Übergabe/Inventarliste 2019"). Die explizite Bitte der Mieterin an D._ vom 3. Oktober 2019 um schriftliche Bestätigung der Nutzung der Garderobe für den "F.__ Club" blieb unbeantwortet. Das Bundesgericht bestätigte, dass dies ein starkes Indiz gegen das Bestehen einer solchen Vereinbarung sei (E. 5.1.2).
  • Unglaubhaftigkeit der Zeugenaussage E.__: Die Aussage des ehemaligen Mitarbeiters E._, D._ habe die "ewige" Benutzung der Garderobe zugesichert, wurde von der Vorinstanz als unglaubhaft beurteilt. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der fehlenden schriftlichen Bestätigung und der Praxis der Parteien, wichtige Abmachungen zu dokumentieren. Das Bundesgericht erachtete diese Beweiswürdigung als willkürfrei (E. 5.1.2, 5.2.3).
  • Wirtschaftliche Unplausibilität: Die Vorinstanz führte zu Recht aus, es hätte für die Vermieterin keinen Sinn ergeben, die Garderobe der Lokalität "X._" für den "F._ Club" zu überlassen und damit die Vermietbarkeit der Lokalität "X.__" zu verschlechtern. Das Bundesgericht schloss sich dem an (E. 5.1.2, 5.2.3).
  • Keine Indizwirkung weiterer Dokumente: Flucht- und Rettungswegkonzepte sowie Brandschutzpläne (E. 5.1.3) und Berichte über elektrische Installationen (E. 5.1.5) wurden von der Vorinstanz nicht als Beweis oder Indiz für einen verlängerten Mietvertrag gewertet. Das Bundesgericht bestätigte diese Einschätzung. Die Dokumente wurden als Momentaufnahmen oder Drittdokumente ohne klaren Bezug zur mietrechtlichen Situation beurteilt.
  • Keine konkludenten Handlungen oder stillschweigende Verlängerung: Die Vorinstanz verneinte konkludente Handlungen oder eine stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses für die Garderobe. Entscheidend war hierbei das Fehlen von Mietzinszahlungen für die Garderobe und die Tatsache, dass die Parteien – ersichtlich an den zahlreichen laufenden Verfahren – zerstritten waren. Auch die Behauptung der Mieterin, die Nutzung sei mit den Mietzinszahlungen für den "F.__ Club" abgegolten worden, überzeugte nicht, da die Vermieterin so einen Raum ohne Gegenwert zur Verfügung gestellt hätte (E. 5.1.4). Das Bundesgericht stützte diese Argumentation vollumfänglich (E. 5.2.1).

2.3. Nutzungsentschädigung

Die Beschwerdeführerin beschränkte sich darauf, die grundsätzliche fehlende Grundlage für eine Nutzungsentschädigung zu behaupten. Da das Bundesgericht das Bestehen eines Mietverhältnisses über die Garderobe hinaus verneinte, wurde die Garderobe als rechtsgrundlos genutzt betrachtet. Die Mieterin versäumte es, darzulegen, inwiefern die vorinstanzliche Berechnung der Entschädigung willkürlich sei oder Bundesrecht verletze, zumal sie keine Mietzinserhöhung für die Anmietung des "F.__ Clubs" in Zusammenhang mit der Garderobennutzung behauptet hatte (E. 5.3).

3. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin weder eine willkürliche Beweiswürdigung noch eine Verletzung des Bundesrechts durch die Vorinstanz hinreichend dargelegt hatte. Die Argumentation der Vorinstanz, wonach kein Mietvertrag über die Garderobe der Lokalität "X.__" über den 30. April 2020 hinaus als erwiesen erachtet werden konnte, wurde bestätigt. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde gegenstandslos.

4. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

  • Kein verlängerter Mietvertrag: Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Feststellung, dass kein Mietvertrag über die Nutzung der Garderobe der Lokalität "X.__" über den 30. April 2020 hinaus nachgewiesen wurde.
  • Willkürfreie Beweiswürdigung: Die Vorinstanz hat die Beweismittel (insbesondere das Fehlen schriftlicher Vereinbarungen, die Unglaubhaftigkeit bestimmter Zeugenaussagen und die fehlenden konkludenten Handlungen) willkürfrei gewürdigt.
  • Zulässigkeit der antizipierten Beweiswürdigung: Die Ablehnung der Parteibefragung des Geschäftsführers der Mieterin durch antizipierte Beweiswürdigung war nicht willkürlich oder eine Verletzung des Gehörsanspruchs, da die bereits vorhandenen Beweise eine klare Überzeugung stützten und weitere Aussagen diese nicht hätten erschüttern können.
  • Nutzungsentschädigung gerechtfertigt: Die rechtsgrundlose Weiternutzung der Garderobe berechtigte die Vermieterin zu einer Nutzungsentschädigung, deren Höhe von der Mieterin nicht substanziiert angefochten wurde.
  • Abweisung der Beschwerde: Die Beschwerde der Mieterin wurde abgewiesen, und die Kosten wurden ihr auferlegt.