Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_479/2024 vom 25. August 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 4A_479/2024 vom 25. August 2025

1. Einleitung und Parteien Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit der Zulässigkeit eines Rechtsmittels auf kantonaler Ebene und der Frage der Umwandlung eines unrichtig bezeichneten Rechtsmittels, insbesondere unter dem Aspekt des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die Parteien sind A._ und B._ (Beschwerdeführer), Miteigentümer einer Liegenschaft, wobei A._ als Rechtsanwalt und Vertreter beider agierte, sowie C._ (Beschwerdegegner), der Mieter einer Wohnung in dieser Liegenschaft.

2. Sachverhalt und Vorinstanzen Der Beschwerdegegner C._ mietete per 7. Dezember 2021 eine Wohnung von den Beschwerdeführern. Im Mietvertrag wurde A._ als Vertreter des "Vermieters" (im Singular) aufgeführt und unterzeichnete den Vertrag. Ab Januar 2022 rügte C._ verschiedene Mängel an der Wohnung (u.a. zerbrochenes Fenster, fehlende Elektrizität/Heizung). Nachdem A._ im März 2022 Mietzinseinforderungen und eine Kündigungsdrohung an C._ und dessen Ehefrau versandt hatte, kündigte er den Mietvertrag per 31. Mai 2022 und leitete eine Betreibung über CHF 5'038.90 (Mietzinsausstände und Mahnkosten) sowie CHF 1'000 (Kosten gemäss Art. 106 OR) ein, gegen die C._ Widerspruch erhob.

Nach erfolgloser Schlichtung klagte C._ vor dem Waadtländer Mietgericht (Tribunal des baux) gegen A._ und B._. Er beantragte eine Mietzinsreduktion von 60% für die Dauer seines Mietverhältnisses, die Rückerstattung zu viel bezahlter Mieten und Nebenkosten (insgesamt CHF 4'000) sowie die Feststellung, dass er die betreibungsmässigen Forderungen nicht schulde und die Aufhebung der Betreibung. Das Mietgericht sprach C._ eine Mietzinsreduktion zu und verurteilte die Beschwerdeführer solidarisch zur Zahlung von CHF 3'172.20. Ferner erklärte es die Betreibung nur bis zu einem Betrag von CHF 340 als begründet und hob sie für den Rest auf. Entscheidend: Am Ende dieses erstinstanzlichen Urteils war eine Rechtsmittelbelehrung angebracht, welche die Ergreifung eines Appells (Berufung) innerhalb von 30 Tagen vorsah.

Die Beschwerdeführer legten, gestützt auf diese Rechtsmittelbelehrung, einen Appell beim Zivilappellationshof des Kantonsgerichts Waadt (Cour d'appel civile) ein. Dieser erklärte den Appell jedoch als unzulässig. Die kantonale Instanz begründete dies damit, dass der Streitwert lediglich CHF 4'000 betrage und daher der Rekurs (Beschwerde) gemäss Art. 308 Abs. 2 ZPO die statthafte Rechtsmittelart gewesen wäre, nicht der Appell. Eine Umwandlung des unzutreffend bezeichneten Rechtsmittels wurde verweigert.

3. Zulässigkeit der Rechtsmittel vor Bundesgericht

  • Rekurs in Zivilsachen (Art. 72 ff. BGG): Das Bundesgericht prüfte zunächst die Zulässigkeit des ordentlichen Rekurses in Zivilsachen. Da es sich um eine mietrechtliche Streitigkeit handelte, lag der Streitwert unter der erforderlichen Schwelle von CHF 15'000 (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG). Die Beschwerdeführer machten geltend, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG vor. Sie argumentierten, Forderungen "unterschiedlicher Natur" (zivilrechtliche Zahlungsforderungen und betreibungsrechtliche Aufhebungsforderungen) könnten sich nicht gegenseitig ausschliessen und müssten stets addiert werden. Das Bundesgericht verwarf dieses Argument jedoch. Es betonte, dass die Rechtsprechung die Annahme einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung restriktiv handhabt und eine präzise Begründung erfordere, die über blosse appellatorische Äusserungen hinausgehe. Da die Beschwerdeführer diese Anforderungen nicht erfüllten, wurde der Rekurs in Zivilsachen als unzulässig erklärt.

  • Subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG): Die Voraussetzungen für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 117 BGG) waren erfüllt. Das Bundesgericht prüft bei diesem Rechtsmittel nur die Rüge von Verfassungsverletzungen. Die Beschwerdeführer mussten daher präzise darlegen, welches verfassungsmässige Recht inwiefern verletzt wurde (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG).

4. Materiellen Rügen der Beschwerdeführer und deren Prüfung durch das Bundesgericht

  • Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV): Die Beschwerdeführer rügten eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs, da ihnen die kantonale Instanz keine Möglichkeit zur Stellungnahme zur Streitwertberechnung gegeben habe, die für die Zulässigkeit des Appells massgeblich war. Das Bundesgericht hielt fest, dass das rechtliche Gehör grundsätzlich das Recht umfasst, sich zu relevanten Sachfragen zu äussern. Es beschränkt sich jedoch auf Rechtsfragen, wenn die Behörde sich auf eine Rechtsnorm oder einen Rechtsgrund stützen will, deren Berücksichtigung von den Parteien vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte. Im vorliegenden Fall sei es nicht unvorhersehbar gewesen, dass die kantonale Instanz die Zulässigkeit des Appells anhand des Streitwerts prüfen würde. Da die Beschwerdeführer die erhöhten Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht erfüllten, wurde die Rüge als unzulässig erachtet.

  • Willkürliche Feststellung des Sachverhalts und Streitwertberechnung (Art. 93 Abs. 1 ZPO und Art. 9 BV): Die Beschwerdeführer kritisierten erstens die willkürliche Annahme der Vorinstanz, sie hätten ebenfalls Forderungen gegen den Beschwerdegegner geltend gemacht. Das Bundesgericht verwies auf die Betreibung, welche die Beschwerdeführer gegen C.__ eingeleitet hatten, und verneinte eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Zweitens beanstandeten die Beschwerdeführer die Berechnung des Streitwerts durch die kantonale Instanz. Diese hatte die Forderungen des Beschwerdegegners (CHF 4'000 Rückzahlung) und die von ihm bestrittenen Forderungen der Beschwerdeführer (total CHF 6'038.90 + CHF 1'000) nicht addiert, da sie sich gegenseitig ausschliessen würden (Art. 93 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Beschwerdeführer argumentierten, die Ansprüche seien "unterschiedlicher Natur" (Zahlungsforderungen vs. Forderungen aus Betreibungsrecht) und dürften sich daher nicht gegenseitig ausschliessen. Das Bundesgericht stellte fest, dass diese Rüge primär eine Verletzung von Bundesrecht (ZPO) betraf und nicht ausreichend als Verfassungsverletzung (insbesondere Willkür in der Anwendung von Art. 93 Abs. 1 ZPO) begründet wurde. Sie wurde daher als unzulässig erachtet, da die Anforderungen an die Motivation einer Verfassungsrüge nicht erfüllt waren.

  • Verweigerung der Umwandlung des Appells in Rekurs und Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3, 9, 29 BV; analog Art. 48 BGG): Die Beschwerdeführer rügten schliesslich, die Vorinstanz habe zu Unrecht die Umwandlung ihres Appells in ein Rekursverfahren verweigert. Sie machten geltend, dass die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Gerichts zu ihren Lasten gehe und dies einen übermässigen Formalismus sowie eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstelle. Sie bezogen sich dabei analog auf Art. 48 BGG, wonach ein unzutreffend bezeichnetes Rechtsmittel an die zuständige Behörde weitergeleitet oder umgewandelt werden soll.

    Das Bundesgericht führte hierzu seine ständige Rechtsprechung zum Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV, Art. 9 Satz 2 BV) aus: * Grundsatz: Parteien dürfen aus einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung grundsätzlich keinen Nachteil erleiden (BGE 138 I 49). * Ausnahme: Dieser Schutz entfällt, wenn die Partei den Fehler erkannt hat oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen. Eine grobe prozessuale Nachlässigkeit schliesst den Treu und Glauben aus. * Massstab: Die Beurteilung, ob eine Nachlässigkeit grob ist, hängt von den konkreten Umständen und den Rechtskenntnissen der Person ab. * Anforderungen an Rechtsanwälte: Gegenüber Rechtsanwälten sind die Anforderungen deutlich höher. Von ihnen wird erwartet, dass sie eine Grobkontrolle der Rechtsmittelbelehrung anhand der anwendbaren Gesetzesbestimmungen vornehmen. Der Schutz aus Treu und Glauben entfällt, wenn der Fehler durch einfaches Lesen der einschlägigen Gesetzesnormen erkennbar gewesen wäre. Hingegen wird von Anwälten nicht verlangt, über die Gesetzestexte hinaus auch die Rechtsprechung oder Lehre zu konsultieren (BGE 141 III 270, 138 I 49, 135 III 489, 135 III 374, 134 I 199). * Neue Bestimmung (Art. 52 Abs. 2 ZPO): Das Bundesgericht erwähnte die neue Bestimmung von Art. 52 Abs. 2 ZPO, wonach unrichtige Rechtsmittelbelehrungen für alle Gerichte verbindlich sind, soweit sie für die Partei vorteilhaft sind. Es hielt jedoch fest, dass diese Bestimmung erst per 1. Januar 2025 in Kraft trat und auf das vorliegende, am 2. Juli 2024 ergangene Urteil keine Anwendung findet (Art. 407f ZPO a contrario).

    Im vorliegenden Fall stellten die Beschwerdeführer ihre Rügen wiederum nicht gemäss den erhöhten Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG) dar. Sie legten nicht dar, inwiefern die kantonale Instanz die bundesgerichtliche Rechtsprechung missachtet hätte. Insbesondere erläuterten sie nicht, warum A.__ als Rechtsanwalt den Fehler der Rechtsmittelbelehrung nicht durch eine Grobkontrolle der anwendbaren Prozessordnung (ZPO) hätte erkennen müssen. Die Rüge wurde daher ebenfalls als unzulässig erklärt.

5. Schlussfolgerung des Bundesgerichts Der Rekurs in Zivilsachen wurde als unzulässig erklärt. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wurde im Rahmen ihrer geringen Zulässigkeit ebenfalls abgewiesen. Die Beschwerdeführer trugen die Gerichtskosten und die Parteientschädigung für den Beschwerdegegner.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Streitwertberechnung: Das Bundesgericht bestätigte implizit die kantonale Auffassung, dass sich die Forderungen des Mieters (Rückzahlung) und die von ihm bestrittenen Forderungen der Vermieter (Betreibung) gegenseitig ausschliessen und für die Bestimmung des Streitwerts (Art. 93 Abs. 1 ZPO) nicht addiert werden, wenn sie dieselbe Sache betreffen. Eine Rüge gegen diese Streitwertberechnung, die zur Unzulässigkeit des Appells führte, wurde mangels hinreichender verfassungsrechtlicher Begründung (Willkür) abgewiesen.
  2. Fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung und Treu und Glauben: Das Bundesgericht bekräftigte seine Rechtsprechung, wonach eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Gerichts nicht zwingend zur Umwandlung eines falsch bezeichneten Rechtsmittels führen muss, insbesondere wenn die Partei anwaltlich vertreten ist.
  3. Anforderungen an Rechtsanwälte: Von anwaltlich vertretenen Parteien wird erwartet, dass sie eine "Grobkontrolle" der Rechtsmittelbelehrung anhand der relevanten Gesetzesbestimmungen vornehmen. Kann ein Fehler auf diese Weise erkannt werden, entfällt der Schutz aus Treu und Glauben, selbst wenn die Belehrung fehlerhaft war. Das Bundesgericht wies die Rüge der Beschwerdeführer (von denen einer selbst Anwalt war) mangels ausreichender verfassungsrechtlicher Begründung ab, da sie nicht darlegten, warum der Anwalt den Fehler nicht hätte erkennen müssen.
  4. Neue Art. 52 Abs. 2 ZPO: Die erst 2025 in Kraft getretene Bestimmung, die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrungen grundsätzlich als verbindlich erklärt, war im vorliegenden Fall nicht anwendbar.