Zusammenfassung von BGer-Urteil 9C_668/2024 vom 15. September 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 15. September 2025, Az. 9C_668/2024

I. Einleitung Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Bereich der Invalidenversicherung. Die Beschwerdeführerin A.__ beantragte die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. Oktober 2024, welcher die Ablehnung ihres Begehrens um eine Invalidenrente bestätigte. Streitgegenstand war die Frage, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Invalidenrente hat, insbesondere im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand und die Berechnung des Invaliditätsgrades.

II. Sachverhalt und Prozessgeschichte 1. Erstanmeldung und Rentenablehnung (2012-2018): A._ (geb. 1968) meldete sich im November 2012 erstmals bei der Invalidenversicherung an. Sie hatte eine Lehre als Köchin absolviert und zuletzt als Verkäuferin gearbeitet. Ein polydisziplinäres Gutachten der medexperts ag vom Dezember 2015 attestierte ihr eine Arbeitsfähigkeit von 80 % in einer adaptierten Tätigkeit. Die IV-Stelle lehnte das Rentenbegehren im Juli 2016 ab. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen bestätigte diese Ablehnung im September 2018, unter anderem mit einem Invaliditätsgrad von 38,5 % (selbst unter Berücksichtigung eines Tabellenlohnabzugs von 10 %). Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft. 2. Neuanmeldung und weitere Gutachten (2017-2022): Im November 2017 meldete sich A._ erneut an, unter Verweis auf eine anhaltende Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes. Im Oktober 2020 erstellte die Swiss Medical Assessment- and Business-Center AG (SMAB AG) ein polydisziplinäres Gutachten, welches eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % in leidensadaptierter Tätigkeit bescheinigte. Dieses Gutachten wurde vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) als überzeugend qualifiziert. Ein anschliessender Arbeitsversuch der IV-Stelle wurde von der Beschwerdeführerin abgebrochen. Der RAD-Arzt Dr. med. B.__ hielt in einer Notiz von März 2022 fest, das Gutachten der SMAB AG sei nicht mehr aktuell. Daraufhin wurde das Ärztliche Begutachtungsinstitut (ABI GmbH) mit einer neuen polydisziplinären Begutachtung beauftftragt. Das Gutachten der ABI GmbH vom September 2022 stellte eine Arbeitsfähigkeit von 80 % in leidensangepasster Tätigkeit fest. 3. Endgültige Ablehnung und Beschwerde (2023-2024): Gestützt auf das ABI GmbH Gutachten lehnte die IV-Stelle im November 2023 die Zusprechung einer Invalidenrente ab, da ein Invaliditätsgrad von lediglich 32 % ermittelt wurde. Die Beschwerde gegen diesen Entscheid wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen im Oktober 2024 ab.

III. Massgebende Rechtsgrundlagen und Methodik des Bundesgerichts 1. Intertemporales Recht: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Weiterentwicklung der IV (WEIV) am 1. Januar 2022 in Kraft trat. Für die Beurteilung des hier streitigen Rentenanspruchs, der sich auf eine Neuanmeldung im November 2017 bezieht, ist jedoch die bis zum 31. Dezember 2021 in Kraft gestandene Rechtslage massgebend. Dies, weil die Beschwerdeführerin (geb. 1968) bei Inkrafttreten der WEIV das 55. Altersjahr noch nicht vollendet hatte, wodurch ein allfälliger Rentenanspruch nach alter Rechtslage bis zu einer Änderung des Invaliditätsgrades nach Art. 17 Abs. 1 ATSG bestehen bleiben würde (lit. b Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur WEIV). 2. Prüfung einer Neuanmeldung: Bei der Prüfung einer Neuanmeldung ist analog wie bei einem Revisionsfall nach Art. 17 Abs. 1 ATSG vorzugehen, wenn eine Änderung des Invaliditätsgrads glaubhaft gemacht wird. Der Rentenanspruch ist dabei in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen, wobei keine Bindung an frühere Beurteilungen besteht (BGE 141 V 9 E. 2.3; 134 V 131 E. 3). Dies ist entscheidend, da der im ersten Verfahren festgestellte Invaliditätsgrad von 38,5 % für die aktuelle Beurteilung nicht bindend war. 3. Beweiswert und Beweiswürdigung ärztlicher Gutachten: Das Bundesgericht betonte die Notwendigkeit einer objektiven Prüfung aller Beweismittel. Bei widersprüchlichen medizinischen Berichten muss das Gericht das gesamte Beweismaterial würdigen und die Gründe angeben, warum es auf eine bestimmte medizinische These abstellt (BGE 125 V 351 E. 3a). Der Beweiswert eines ärztlichen Berichts hängt davon ab, ob er umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben wurde, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Expertinnen und Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1). 4. Sachverhaltsfeststellung und Rechtsfragen: Die vorinstanzliche Feststellung, ob und inwiefern eine Veränderung der gesundheitlichen Verhältnisse oder des funktionellen Leistungsvermögens eingetreten ist, bindet das Bundesgericht grundsätzlich als Sachverhaltsfrage. Die Anforderungen an den Beweis dieser Feststellung sind hingegen rechtlicher Natur und können vom Bundesgericht frei überprüft werden.

IV. Würdigung der Gutachten und des Gesundheitszustandes 1. Vorinstanzliche Argumentation: Die Vorinstanz stützte sich auf das Gutachten der ABI GmbH vom 19. September 2022, welches eine 80%ige Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit feststellte. Sie begründete dies damit, dass dieses Gutachten den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin weitgehend jenem der Erstbegutachtung durch die medexperts AG im Jahr 2015 entsprochen habe. Die objektiven klinischen Befunde der Gutachten von SMAB AG und ABI GmbH seien mehrheitlich deckungsgleich gewesen, abgesehen von der Arbeitsfähigkeitsschätzung. Die Einschätzung der ABI GmbH überzeugte die Vorinstanz mehr, da angesichts des weitestgehend unauffälligen objektiven klinischen Befundes in sämtlichen Disziplinen die Schlussfolgerung einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit für ideal leidensadaptierte Tätigkeiten nachvollziehbarer sei als die von der SMAB AG attestierte 50%ige Arbeitsunfähigkeit. 2. Rügen der Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin rügte die Beweisuntauglichkeit des ABI GmbH Gutachtens, welches den Sachverhalt zu optimistisch beurteilt habe. Sie verlangte, auf das Gutachten der SMAB AG vom 4. Oktober 2020 abzustellen, da ihr Gesundheitszustand sich seither nicht verbessert habe und ein höherer Invaliditätsgrad resultieren müsse. 3. Analyse des Bundesgerichts: Das Bundesgericht wies die Rügen der Beschwerdeführerin ab und bestätigte die Beweiskraft des ABI GmbH Gutachtens. * Erfüllung der Beweiskriterien: Das Bundesgericht befand, dass das Gutachten der ABI GmbH die rechtsprechungsgemässen Kriterien beweiskräftiger medizinischer Gutachten erfüllte. Es basierte auf umfassenden eigenen Untersuchungen und setzte sich eingehend mit den Vorakten auseinander. * Diagnosen und Arbeitsfähigkeit: Diagnostiziert wurden chronische Kniebeschwerden und ein chronisches zervikal- und lumbalbetontes panvertebrales Schmerzsyndrom. Obwohl die Gutachter in den allgemeininternistischen, neurologischen und psychiatrischen Untersuchungen gewisse Beschwerden bestätigen konnten, verneinten sie deren Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Orthopädisch wurde eine weitgehend freie Beweglichkeit der Wirbelsäule und Extremitäten festgestellt, mit Ausnahme einer reduzierten Flexion des rechten Kniegelenks (bis 75°). Das Gutachten kam zum Schluss, dass für angestammte Tätigkeiten (Köchin, Verkauf, stehend/gehend) eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bestehe. Für angepasste, körperlich sehr leichte, überwiegend sitzend zu verrichtende, wechselbelastende Tätigkeiten wurde jedoch eine 80%ige Arbeitsfähigkeit attestiert, unter Berücksichtigung eines 20%igen Pausenbedarfs aufgrund der Polymorbidität und reduzierten Belastungsfähigkeit. * Vergleich mit SMAB AG Gutachten: Das Bundesgericht hob hervor, dass die gestellten Diagnosen in den Gutachten der medexperts AG, der SMAB AG und der ABI GmbH weitestgehend übereinstimmten, insbesondere aus orthopädischer Sicht. Entscheidend war, dass die Gutachter der SMAB AG ihre Feststellung einer 50%igen Arbeitsunfähigkeit nicht näher erläutert hatten. Demgegenüber hatte der orthopädische Gutachter der ABI GmbH schlüssig dargelegt, weshalb die Einschätzung einer hochgradig verminderten Arbeitsfähigkeit durch die SMAB AG angesichts des wenig auffälligen objektiven klinischen Befunds nicht nachvollziehbar war. Die verminderte Knieflexion sei bei körperlich sehr leichten, überwiegend sitzenden Verrichtungen nicht als höhergradig limitierend anzusehen. * Schlussfolgerung: Das Bundesgericht fand keine Anhaltspunkte, die die Zuverlässigkeit des ABI GmbH Gutachtens in Frage stellten. Es bestätigte daher die vorinstanzliche Würdigung und verneinte eine anspruchserhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin seit der letzten rentenabweisenden Verfügung.

V. Bemessung des Invaliditätsgrades (Valideneinkommen und Leidensabzug) 1. Valideneinkommen: Die Beschwerdeführerin forderte, das Valideneinkommen auf ihren erlernten Beruf als Köchin abzustellen. Das Bundesgericht folgte jedoch der Vorinstanz, die festhielt, dass die Beschwerdeführerin nie im erlernten Beruf gearbeitet hatte. Stattdessen wurde das Valideneinkommen an einem Hilfsarbeiterinnenlohn orientiert, da ihre tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeiten (zuletzt Verkäuferin) typische Hilfsarbeiten darstellten. Das Bundesgericht bekräftigte, dass keine Hinweise bestünden, die eine Tätigkeit als Köchin ohne Gesundheitsschaden überwiegend wahrscheinlich erscheinen liessen, und dass im Rahmen einer Neuanmeldung keine Bindung an frühere Beurteilungen (wie im Entscheid von 2018 die Bemessung als Köchin) bestehe. 2. Invalideneinkommen und Leidensabzug: Die Vorinstanz hatte für die Ermittlung des Invaliditätsgrades eine Arbeitsfähigkeit von 80 % und einen Leidensabzug von 10 % berücksichtigt, was zu einem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 28 % führte (100 % - 90 % x 80 %). Die Beschwerdeführerin forderte einen erhöhten Leidensabzug von 15 %. Das Bundesgericht hielt fest, dass selbst ein Leidensabzug von 15 % lediglich einen Invaliditätsgrad von 32 % ergeben würde, welcher ebenfalls keinen Anspruch auf eine Invalidenrente begründen würde. Daher konnte die Frage, ob ein erhöhter Abzug überhaupt gerechtfertigt wäre, offenbleiben.

VI. Fazit des Bundesgerichts Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente verneinte. Die in der Beschwerde beantragte Rückweisung der Sache zur Vornahme ergänzender Abklärungen erübrigte sich im Sinne einer antizipierten Beweiswürdigung, da von weiteren Abklärungen keine weiterführenden Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Beschwerde wurde somit abgewiesen.

VII. Wesentliche Punkte der Zusammenfassung * Anwendbares Recht: Für die Neuanmeldung von 2017 ist das Invalidenversicherungsrecht in seiner bis zum 31. Dezember 2021 gültigen Fassung massgebend. * Prüfung der Neuanmeldung: Bei einer Neuanmeldung erfolgt eine umfassende, an keine früheren Beurteilungen gebundene Prüfung des Rentenanspruchs. * Beweiswürdigung von Gutachten: Das Bundesgericht bestätigte die Beweiskraft des Gutachtens der ABI GmbH, welches eine 80%ige Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten (insbesondere sitzend, körperlich sehr leicht, wechselbelastend, mit 20% Pausenbedarf) feststellte. Dieses Gutachten war im Vergleich zum Gutachten der SMAB AG (50% Arbeitsunfähigkeit) besser begründet und die objektiven Befunde zeigten für angepasste Tätigkeiten keine hochgradigen Einschränkungen. * Keine relevante Gesundheitsverschlechterung: Es wurde keine anspruchserhebliche Veränderung des Gesundheitszustandes seit der letzten rentenabweisenden Verfügung festgestellt. * Valideneinkommen: Das Valideneinkommen wurde auf Basis eines Hilfsarbeiterinnenlohns bemessen, da die Beschwerdeführerin ihren erlernten Beruf als Köchin nie ausgeübt hatte und ihre tatsächlichen Tätigkeiten Hilfsarbeiten entsprachen. * Invaliditätsgrad und Leidensabzug: Der ermittelte Invaliditätsgrad von 28 % (oder maximal 32 % selbst bei einem höheren Leidensabzug) liegt unterhalb des für eine Rente erforderlichen Schwellenwerts. * Entscheid: Die Beschwerde wurde abgewiesen; die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Invalidenrente.