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Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_528/2025 vom 10. September 2025 befasst sich primär mit der Beschwerdelegitimation der Privatklägerschaft im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Ansprüchen und der prozessualen Rolle der Dispositionsmaxime im adhäsionsweisen Zivilprozess.
1. Sachverhalt und Vorinstanzliche Entscheidungen
Im Ausgangspunkt verurteilte die Bezirksrichterin von Sierre den Intimierten B.__ wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 12 Abs. 3 StGB) zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 160 sowie einer Busse von CHF 800.
Gegen dieses Urteil erhob der Verurteilte Berufung. Das Kantonsgericht des Kantons Wallis (Strafkammer I) sprach B._ daraufhin mit Urteil vom 9. Mai 2025 frei. Gleichzeitig wies es die Zivilforderungen von A._ ab, wobei die Kosten- und Entschädigungsfolgen dem Staat Wallis auferlegt wurden und die Privatklägerschaft ihre eigenen Kosten und Auslagen beider Instanzen zu tragen hatte.
A.__ (der Geschädigte und Beschwerdeführer) rekurrierte gegen dieses kantonsgerichtliche Urteil an das Bundesgericht. Er beantragte die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheids und die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils. Des Weiteren beantragte er, für seine Ansprüche gegen den Intimierten 2 auf den Zivilweg verwiesen zu werden.
2. Rechtliche Problematik und Erwägungen des Bundesgerichts
Die zentralen Fragen, die das Bundesgericht zu prüfen hatte, waren: a. Die Zulässigkeit der Abweisung von Zivilforderungen durch die Vorinstanz, insbesondere unter Berücksichtigung der Dispositionsmaxime. b. Die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers im Strafpunkt, nachdem er die Verweisung auf den Zivilweg beantragt hatte.
2.1. Zur Abweisung der Zivilforderungen und der Dispositionsmaxime
Das Bundesgericht hielt fest, dass der Beschwerdeführer ein rechtliches Interesse an der Anfechtung der Abweisung seiner Zivilforderungen hatte (Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG). Dies, weil ein materiell rechtskräftiges Urteil über Zivilforderungen im Strafprozess (Art. 80 Abs. 1 StPO) nach Ablauf der Beschwerdefrist ein Urteilshindernis für spätere Straf- oder Zivilverfahren darstellt (Art. 437 Abs. 1 StPO; vgl. ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar StPO, 3. Aufl. 2023, N. 68 ff. zu Art. 437 StPO; PERRIN/ROTEN, in: Commentaire romand CPP, 2. Aufl. 2019, N. 11 zu Art. 437 StPO).
Das Bundesgericht kritisierte die vorinstanzliche Begründung zur Abweisung der Zivilforderungen als "wenig aussagekräftig". Die Vorinstanz habe weder die Art und Höhe der geltend gemachten Ansprüche präzisiert, noch den Zeitpunkt ihrer Geltendmachung (Art. 119 und 123 Abs. 1 und 2 StPO in der bis 31. Dezember 2023 gültigen Fassung). Sie habe sich darauf beschränkt, die Abweisung der Zivilforderungen mit dem Freispruch des Angeschuldigten aus rechtlichen Gründen (fehlende objektive und subjektive Tatbestandselemente der Körperverletzung) zu begründen, was die Voraussetzungen für eine adhäsionsweise Geltendmachung im Strafprozess entfallen liesse.
Das Bundesgericht betonte jedoch die Geltung der Dispositionsmaxime im adhäsionsweisen Zivilprozess. Danach obliegt es dem Geschädigten, zu entscheiden, welche zivilrechtlichen Ansprüche er in welchem Umfang dem Strafgericht zur Beurteilung unterbreiten will. Das Strafgericht darf in diesem Punkt weder extra petita (über das Begehrte hinaus) noch ultra petita (mehr als das Begehrte) entscheiden (vgl. BGer 6B_619/2021 vom 7. Februar 2022 E. 2.3; ANNETTE DOLGE, a.a.O., N. 22 zu Art. 122 StPO; JEANDIN/FONTANET, in: Commentaire romand CPP, 2. Aufl. 2019, N. 1a zu Art. 122 StPO; VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 4a zu Art. 122 StPO; DEPEURSINGE/GARBARSKI/MUSKENS, Action civile adhésive au procès pénal – no man’s land procédural?, in: SJ 2021 II 185, S. 215).
Im vorliegenden Fall ergab die bundesgerichtliche Sachverhaltsergänzung (Art. 105 Abs. 2 BGG), dass der Beschwerdeführer zwar ursprünglich bei der Polizei seinen Willen zur Geltendmachung von Zivilforderungen erklärt hatte, aber an der erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung explizit beantragte, auf den Zivilweg verwiesen zu werden. Daraus schloss das Bundesgericht, dass der Beschwerdeführer keine Zivilforderungen im Sinne von Art. 123 StPO artikuliert hatte. Folglich war die Abweisung der vermeintlichen Zivilforderungen durch die Vorinstanz fehlerhaft. Das Bundesgericht reformierte den Entscheid dahingehend, dass der Beschwerdeführer zur Geltendmachung seiner zivilrechtlichen Ansprüche an den Zivilrichter verwiesen wird.
2.2. Zur Beschwerdelegitimation im Strafpunkt
Für den verbleibenden Teil der Beschwerde, der ausschliesslich den Strafpunkt betraf, prüfte das Bundesgericht die Beschwerdelegitimation. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde an das Bundesgericht legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Privatklägerschaft – soweit zumutbar – im Strafverfahren bezifferte Zivilforderungen auf Schadenersatz oder Genugtuung gestellt hat (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; BGer 6B_332/2020 vom 9. Juni 2020 E. 1.1).
Da der Beschwerdeführer jedoch keine bezifferten Zivilforderungen gestellt, sondern die Verweisung auf den Zivilweg beantragt hatte und das Bundesgericht diesem Antrag entsprach, schloss dies die Beschwerdelegitimation im Strafpunkt aus. Die Beschwerde war in diesem Teil unzulässig.
2.3. Kosten und Parteientschädigung
Das Bundesgericht legte dem Beschwerdeführer reduzierte Gerichtskosten von CHF 800 auf, da er im Punkt der Zivilforderungen obsiegte, im Strafpunkt jedoch unterlag. Die Parteientschädigungen wurden kompensiert, da der Intimierte 2 im Strafpunkt obsiegte, jedoch seine Ausführungen primär auf die Abweisung der Beschwerde im Allgemeinen und nicht spezifisch auf die Zivilforderungen fokussiert hatte.
3. Endgültiger Entscheid des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hiess die Beschwerde insoweit gut, als sie zulässig war. Es reformierte Ziffer 2 des Dispositivs des angefochtenen Urteils dahingehend, dass A.__ zur Geltendmachung seiner zivilrechtlichen Ansprüche an den Zivilrichter verwiesen wird. Im Strafpunkt wurde die Beschwerde als unzulässig erachtet.
4. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht hob die Abweisung der Zivilforderungen durch das Kantonsgericht auf, weil der Beschwerdeführer im Vorverfahren keine Zivilforderungen beziffert, sondern die Verweisung auf den Zivilweg beantragt hatte. Die Geltung der Dispositionsmaxime verlangt, dass das Gericht nur über gestellte Anträge entscheidet. Da somit keine Zivilforderungen im Strafprozess mehr anhängig waren, fehlte dem Beschwerdeführer die Beschwerdelegitimation, um den Freispruch des Angeschuldigten im Strafpunkt anzufechten. Die Beschwerde wurde daher nur betreffend die Verweisung auf den Zivilweg gutgeheissen, im Strafpunkt jedoch abgewiesen.